Bedenken zur PV-Anlage auf fruchtbarem Ackerland
Private Energieunternehmen bringen mit ihren wirtschaftlichen Interessen Gemeinden in schwierige Entscheidungssituationen. Vor dem Hintergrund der vom Geldsystem verursachten Vermögensumverteilung, werden früher noch als unmoralisch betrachtete Angebote inzwischen als Ausweg aus leeren Kassen in Erwägung gezogen.
Auch in Adelebsen soll nun fruchtbares Ackerland (Bebauungsplan) zur PV-Energieerzeugung genutzt werden, weshalb wir als ansässiger Verein unsere Bedenken hierzu äußern. Hierzu wurde folgendes Schreiben an den Gemeinderat der Stadt Adelebsen geschickt.
Das Schreiben kann gerne von anderen betroffenen Gemeinden als Diskussions- und Argumentationspapier genutzt werden
(Rechtlich begründeter Einwand gegen Photovoltaikanlagen auf fruchtbarem Ackerland.pdf)
Sehr geehrte Rats- und Gemeindevertretung, sehr geehrter Herr Bürgermeister, meine Damen und Herren,
wir als Öko-Hilfe2 e.V. möchten unseren ernsthaften Vorbehalt gegen die geplante großflächige Installation einer Photovoltaik-Anlage auf fruchtbarem Ackerland am Ortsrand deutlich machen. Lassen Sie mich die rechtliche Grundlage und unsere zentralen Einwände darlegen
1. Verfassungsrechtliche Verpflichtung des Staates
Mit Artikel 20a des Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland (GG) ist normiert: „Der Staat schützt auch in Verantwortung für die künftigen Generationen die natürlichen Lebensgrundlagen und die Tiere im Rahmen der verfassungsmäßigen Ordnung…“ Grundgesetz für Jeden+2bpb.de+2
Dies bedeutet, dass bei allen staatlichen Entscheidungen – insbesondere bei solchen mit großflächigen Eingriffen in Natur und Landschaft – die natürlichen Lebensgrundlagen (Boden, Wasser, Landschaft, biologische Vielfalt) mit zu schützen sind. Bundestag DServer+1
Zwar ist Artikel 20a GG keine subjektive einklagbare Norm für den einzelnen Bürger – er stellt jedoch einen klaren Gestaltungsauftrag an die Gesetzgebung, Verwaltung und Rechtsprechung dar. Opinio Iuris+1
Damit ist im Raum unserer Gemeinde eine Pflicht zur vorausschauenden Prüfung, Abwägung und Schutzmaßnahme für die natürlichen Lebensgrundlagen gegeben.
2. Verhältnismäßigkeit und Vermeidung von Eingriffen
Im Sinne des Verhältnismäßigkeitsprinzips muss geprüft werden, ob ein großer Eingriff (hier: Umwidmung fruchtbarer Agrarfläche für eine PV‐Anlage) geeignet, erforderlich und angemessen ist. Das heißt:
- Geeignet: Führt die Maßnahme tatsächlich zum intendierten Zweck (Energieerzeugung)?
- Erforderlich: Gibt es alternative Standorte mit geringerem Konfliktpotenzial (z. B. Braunflächen, nicht‐fruchtbares Land, Dächer, Industrieflächen)?
- Angemessen: Stehen die Nachteile (Boden‐ und Wasserbelastung, Biotopverlust, Beteiligung der Bevölkerung) im Verhältnis zum Nutzen?
Wenn die Nutzung fruchtbarer Fläche statt anders geeigneter Flächen erfolgt, droht die Verhältnismäßigkeit zu verfehlen.
3. Soziale und psychologische Auswirkungen – Verlust von Heimatqualität
Neben den ökologischen und ökonomischen Folgen hat der Eingriff auch
psychosoziale Wirkungen auf die Anwohner:
- Der unmittelbare Lebensraum, in dem Menschen seit Generationen leben, gärtnern, spazieren, Tiere halten oder einfach Ruhe finden, wird in seinem Charakter grundlegend verändert.
- Landschaften sind nicht nur Kulisse, sondern emotionale und energetische Lebensräume, die Identität, Geborgenheit und psychische Ausgeglichenheit fördern.
- Eine massive technische Anlage an der Ortsgrenze kann daher Gefühle von Entfremdung, Unruhe oder Verlust hervorrufen. Dies ist keine subjektive Befindlichkeit, sondern wird auch in der Umweltpsychologie unter dem Begriff „Place Attachment“ oder „Landschaftsidentität“ beschrieben.
- Wissenschaftliche Studien (z. B. zur Wirkung technischer Großanlagen auf das seelische Wohlbefinden) bestätigen, dass das Erscheinungsbild und die Wahrnehmung der eigenen Umwelt wesentlichen Einfluss auf Gesundheit, soziale Bindung und Lebensqualität haben.
Auch die Geomantie und Feng-Shui-Lehre greifen diesen Aspekt auf, indem sie die energetische Wechselwirkung zwischen Mensch und Umgebung betonen. Der Mensch steht in Resonanz mit seiner Umwelt – was auf feinstofflicher Ebene beschrieben wird, hat auf psychologischer Ebene reale Entsprechungen: Licht, Rhythmus, Raumwirkung, Fluss der Landschaft und Harmonien von Form und Material beeinflussen das emotionale Erleben.
Ein massiver Eingriff in diese gewachsene Ordnung kann somit eine dauerhafte Irritation des seelischen und sozialen Gleichgewichts bewirken.
Auch Tiere und Pflanzen reagieren sensibel auf solche Störungen – beispielsweise durch Veränderungen im Magnetfeld, in der Lichtreflexion oder im Mikroklima unter den PV-Modulen.
Es ist daher Aufgabe verantwortungsvoller Gemeindepolitik, diese nicht messbaren, aber spürbaren Dimensionen des Lebensraumes ernst zu nehmen und als Teil des ganzheitlichen Umweltbegriffs zu begreifen, den Artikel 20a GG schützt.
4. Beteiligung der Bürger und soziale Gerechtigkeit
Aus dem Rechtsstaats‐ und Demokratieprinzip ergibt sich, dass die Betroffenen frühzeitig beteiligt werden müssen. Bei fehlender Bürgerbeteiligung oder fehlender Teilhabe am Nutzen entsteht ein Ungleichgewicht: Die Bürgerschaft trägt Risiken und Lasten (z. B. Bodenverlust, Änderungen der Nutzungsstruktur, mögliche Ausgleichskosten), erhält aber nicht in angemessener Weise Vorteile oder Teilhabe. Damit entsteht eine Frage der Verteilungs‐ und Generationengerechtigkeit. Da der Staat und die Kommune hier Mitverantwortung tragen, muss diese Frage bei der Entscheidung mit einfließen.
5. Nachhaltigkeits‐ und Vorsorgeprinzipien
Die Interpretation von Artikel 20a GG umfasst das Vorsorge‐ und Nachhaltigkeitsprinzip: Nicht nur existierende Schäden sollen vermieden werden, sondern langfristige Folgen für künftige Generationen müssen berücksichtigt werden. Bundestag DServer+1
Die Verwendung von hochwertigen Agrarflächen für eine PV‐Anlage über Jahrzehnte bindet eine Ressource und kann die natürliche Regenerationsfähigkeit des Bodens, die biologische Vielfalt und die Versorgungssicherheit beeinträchtigen.
6. Abwägung gegenüber anderen Rechtsgütern
Zwar ist die Energiewende ein wichtiges Ziel, jedoch steht sie nicht automatisch über dem Schutz der natürlichen Lebensgrundlagen. Das Landes‐ und Bundesrecht verlangen eine sorgfältige Abwägung zwischen wirtschaftlichen Interessen, Energienutzung und Umwelt‐/Flächenschutz. Artikel 20a GG verlangt nicht, dass Umweltschutzziele immer automatisch Vorrang haben – doch sie müssen im Rahmen der Entscheidung angemessen berücksichtigt werden. Grundgesetz für Jeden+1
Wenn eine PV‐Anlage auf fruchtbarem Land errichtet wird, ohne dass alternative Standorte in ausreichendem Maße geprüft wurden, kann argumentiert werden, dass die Abwägung unzureichend war.
7. Konkreter Antrag an den Gemeinderat
Vor diesem Hintergrund beantragen wir, dass der Gemeinderat bzw. die Verwaltung folgendes beschließt bzw. fordert:
- Eine umfassende Analyse aller möglichen Standorte für PV‐Anlagen, bei der besonders bereits weniger konfliktreiche Flächen (z. B. Dachflächen, Brachflächen, nicht‐landwirtschaftlich genutzte Flächen) Vorrang haben.
- Eine Umwelt‐ und Flächenfolgenabschätzung, die Bodenqualität, Grundwasserinfiltration, Biodiversität, Lebensräume, Landschaftsbild und künftige Nutzungsoptionen berücksichtigt.
- Eine verbindliche Bürgerbeteiligung sowie eine Regelung zur Teilhabe der Bürgerschaft an Nutzen und Gewinnen der Anlage — um lokal erzeugte Akzeptanz und soziale Gerechtigkeit zu schaffen.
- Eine vertragliche Absicherung mit dem Betreiber, dass Rückbau, Renaturierung oder landwirtschaftliche Wiederherstellung am Ende der Lebensdauer der Anlage garantiert sind und dass Ausgleichsmaßnahmen dauerhaft gesichert werden.
- Eine Bewertung, ob die Nutzung von fruchtbarem Ackerland mit Blick auf Ernährungs-, Klima- und Flächenschutz nachhaltig vertretbar ist – und ggf. von einem Standort abzusehen bzw. alternative Lösungen vorzuziehen.
Schlussbemerkung
Wir erkennen die Bedeutung der Energiewende und der erneuerbaren Energien an. Gleichzeitig verpflichten uns die verfassungsrechtlich normierten Grundsätze – insbesondere durch Artikel 20a GG – dazu, die natürlichen Lebensgrundlagen mit Blick auf heutige und künftige Generationen zu schützen. Insofern kann eine Entscheidung für eine großflächige PV‐Nutzung auf fruchtbarem Ackerland nur dann mittragen werden, wenn die Abwägung sorgfältig durchgeführt wurde, transparente Verfahren und Beteiligung vorhanden sind und die Belastungen nicht einseitig zugunsten externer Betreiber gehen, sondern die Kommune und die Bürgerschaft angemessen eingebunden sind.
Wir bitten Sie daher, diese Gesichtspunkte im Entscheidungsverfahren zu berücksichtigen und eine Entscheidung erst dann zu treffen, wenn die genannten Kriterien erfüllt sind.
Auch Andernorts treffen Solarparks auf Ackerland auf Ablehnung
Das Verwaltungsgericht (VG) Neustadt an der Weinstraße hat in einem richtungsweisenden Urteil entschieden, dass die Errichtung von großflächigen Photovoltaik-Anlagen (PV-Anlagen) auf hochwertigen Ackerflächen nicht mit den Zielen der Raumordnung vereinbar ist. Die Entscheidung (Az. 4 K 660/24.NW) bekräftigt den Vorrang der landwirtschaftlichen Nutzung und setzt damit klare Grenzen für den Ausbau von Solarparks auf für die Nahrungsmittelproduktion wichtigen Böden. https://www.photovoltaik.info/news/neues-urteil-pv-anlage-auf-ackerflaeche-in-rheinland-pfalz-oft-unzulaessig/